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19. Bericht Januar 08:
HIV/AIDS hat Afrika südlich der Sahara stärker betroffen als jede andere Region der Welt – diese Aussage ist vielen Menschen bekannt. Wie wird aber diese Epidemie die kommenden Generationen betreffen? Welche Auswirkungen hat AIDS auf die Entwicklung der Heimat unserer Partner?
Schon vor zehn Jahren haben wir vor Ort Kinder und Jugendliche gesehen, denen die Zukunft durch schier unüberwindbare Hürden verbaut ist: Eltern, die für sie sorgen sollten, leiden und sterben, niemand zahlt mehr für den Schulbesuch, Analphabeten finden noch weniger bezahlte Arbeit, der Kreislauf schließt sich: die Gruppe der armen, frustrierten, aggressiven jungen Erwachsenen wird größer.
UNAIDS spricht von 20 Prozent Verlust bis 2020, der die Landwirtschaft, Wirtschaft und Infrastruktur der Länder südlich der Sahara beschädigen wird!
AIDS trifft den Lebensnerv der Gesellschaften. Alte kulturelle Normen: „über Sex darf man nicht sprechen“, treffen auf Botschaften wie: „Jugendliche sollen enthaltsam leben bis zur Ehe“. Schon kleine Kinder wissen, dass das schreckliche Virus Tod und Elend bringt, aber sie wissen zu wenig, um sich vor ihm zu schützen. Und ganze Dorfgemeinschaften trauen sich nicht, das „Unaussprechliche“ beim Namen zu nennen. Deshalb haben sich Partner aus Uganda und Kenia mit „Kranich“ auf den Weg gemacht, glaubwürdige Programme zur Prävention von HIV/AIDS zu entwerfen und auszuprobieren.
Drei Projekte möchte ich Ihnen vorstellen:
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Projekt: „Entwicklung von Selbständigkeit und Rechtsbewusstsein als Grundlage der AIDS-Prävention in der ländlichen jugendlichen Bevölkerung“ in Kitojo, Westuganda, durchgeführt seit September 2003
Beschreibung: Jugendliche aus neun Dörfern der sehr armen Westprovinz Ugandas fanden sich zusammen, um sich in Seminaren über Menschenrechte und Einkommen schaffende Tätigkeiten weiter zu bilden. Insgesamt wurden 1000 Jugendliche erreicht, wovon die Hälfte Ernährer von „Kinderfamilien“ sind (beide Eltern sind an AIDS gestorben und die jüngeren Geschwister müssen versorgt werden). Seit vier Jahren gibt es eine „Berufsschule“ mit drei Lehrern und 20 Schülern, die am „Modellhaus“ das Mauern üben. Wenn sie Kunden überzeugen, bekommen sie Aufträge. Mit Kleinkrediten bauen sie sich kleine Geschäfte auf. Als AIDS-Berater erreichen sie weitere Gleichaltrige in ihren Dörfern. Teenager-Mütter und Jungen (einige mit HIV) ziehen mit ihrer Drama-Gruppe von Dorf zu Dorf. Die Mädchen haben ihre Babys dabei und kämpfen dafür, dass es anderen Mädchen nicht mehr passiert, schwanger und aus der Schule geworfen zu werden. Am Ende der Veranstaltung werden Fragen beantwortet und Kondome ausgegeben.
„Kranich“ und die Landesstiftung unterstützten das Projekt von 2003 bis 2005, jetzt trägt es sich weitgehend selbst mit einem Anteil von 800,- jährlich von „Kranich“.
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Projekt: „Let`s talk about AIDS: Boda-Boda-Fahrer als AIDS-Aufklärer“ in Bukura, Westkenia
Beschreibung:
Im Landesteil Kakamega sind die Boda Boda wichtige Transportmittel. Auf dem Boda Boda sitzt vorn der Fahrradführer und auf dem gepolsterten Gepäckträger der Fahrgast. Junge Männer der Gruppe stehen ab morgens 6 Uhr an Kreuzungen und warten auf Kunden. Alle Radführer haben einen Kurs in AIDS-Beratung besucht und bringen ihr Wissen an den Mann oder die Frau, während sie fahren. Ihre Einnahmen von 0,50 Euro aufwärts werden aufgeteilt zwischen dem Boda-Führer und der Gruppe. Regelmäßig gibt es „Diskussionsnachmittage“. Dafür wird immer ein „heißes“ Thema für Jugendliche vorbereitet und angekündigt. Jungen und Mädchen tauschen sich aus und debattieren engagiert ihre Probleme. Das stärkt sie auch gegen die ortsansässige Obrigkeit und deren Zwang nach Traditionellem. Mädchen und Jungen üben sich im „Nein“- Sagen und im emanzipierten Verhalten. Die Protokolle und offenen Fragen schicken sie uns und wir beraten sie. (Diese Protokolle können Interessierte auch nachlesen) Fahrräder, Gehälter, Gruppenaktivitäten und Krankenpflege werden von „Kranich“ mit monatlich 300,- finanziert.
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Projekt: „Be a hero - use condoms”: die AIDS-Kampagne der Jugendlichen auf Rusinga Island, Kenia
Beschreibung: Die Gruppe „Kony Nginami“ in Rusinga Island am Viktoria-See ist von HIV/AIDS-Betroffenen gegründet worden. „Kranich“ unterstützt sie u. a. mit Fahrgeld, damit sie sich die nötigen Medikamente in dem 50 km entfernten Krankenhaus holen können. Außerdem organisieren sie und die angeschlossene Jugendgruppe von Zeit zu Zeit Informationsveranstaltungen unter freiem Himmel. Zielgruppen sind die Fischer und Fischhändlerinnen am See und die Jugendlichen auf der Insel, beide sind die am meisten von AIDS gefährdeten Einwohner. UNAIDS spricht von einer Infektionsrate von 38%. Dabei wird ein Video gezeigt: „Deadly Catch“, der kritische Film (von „Kranich“ über UNAIDS angefordert und kopiert) problematisiert den Fischhandel, bei dem die Händlerin gezwungen wird, in Sex einzuwilligen. Unter dem Motto: „Entweder Sex oder den Fisch bekommt eine andere“, wird der meist sehr geringe Fang den Frauen zum Verkauf überlassen. Die damit verbundene Konkurrenz, genannt „Jaboya“, hat ihre Ursache auch in der industriemäßigen Ausbeute der im See ausgesetzten Viktoria-Barsche, an der die einheimischen Fischer keinen Anteil haben.
Die Jugendgruppe tritt mit Vorführungen, Liedern und in ihren T-Shirts mit provokanten Sprüchen auf:
I am great, ask me why – und auf dem Rücken des Hemdes: Consistence and proper condom use (Ich bin toll - frag mich warum - konsequent und richtig Kondome anwenden) und:
I am responsible - I care – und auf dem Rücken: maximum protection(ich bin verantwortlich, ich pass auf - größter Schutz)
Dazu sagte uns ein Mädchens: Ich bin stolz und fühle mich stark, wenn ich das T-Shirt trage. Ich will dieses Gefühl auch den anderen Mädchen vermitteln. Wir müssen diese gefährlichen Traditionen der Frauen wegen überwinden. (Anmerkung: „Kranich“ will keine „doppelte Moral“ predigen, jedes Individuum muss seinen/ihren Weg zur Vorbeugung einer HIV-Infektion selbst bestimmen durch Schutz, Treue oder Enthaltsamkeit)
Die Männer nehmen die kostenlosen Kondome mit, die nach dieser Veranstaltung verteilt werden (3000 Stück). Die Kondome der Marke „Trust“ müssen von der Gruppe im Depot des staatlichen Gesundheitszentrums geholt werden, denn sie sind nicht offen zugänglich. Im Laden kauft sie kaum jemand aus Scham und Angst vor Ausgrenzung. „Kranich“ finanziert Fahrtkosten für 40 AIDS-Patienten in die Klinik, für Gemüseanbau und Aktionen mit 300,- monatlich.
In fast jedem Brief aus Afrika wird für unsere Hilfe gedankt, diesen Dank gebe ich gern weiter an Sie, die Einzel- und Dauerspender, die „Kranich“ immer wieder bedenken. Mit einer Weisheit der Swaheli: „Es ist das Herz, das gibt - die Hände geben nur her“grüße ich Sie herzlich.
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