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Jahresrückblick 2006:
„AIDS hat Afrika fest im Griff“ war am 22.11.06 in der Stuttgarter Zeitung zu lesen. Und gemeint waren damit vor allem die Neuinfektionen dieses Jahr, alle acht Sekunden eine.
Mit Zahlenspielen allein wollten wir von „Kranich“ uns nie beschäftigen, aber auch als „Praktiker“ müssen wir nach 20 Jahren eine gewisse Ernüchterung zugeben: eine durchschlagende Verbesserung der Situation bei AIDS in Kenia und Uganda hat sich nicht eingestellt.
Die Programme zur AIDS-Prävention zeigen Ermüdungserscheinungen – die einen setzen auf Abstinenz, über deren Praktikabilität unsere Partner vor Ort insgeheim lächeln. Die anderen nehmen die Safer-Sex-Methoden mit Kondomen ernst, müssen aber erkennen, dass ihre Klienten viele Ausreden kennen, weshalb sie das nicht praktizieren konnten. Und dann gibt es die vielen, vielen Waisen, die Kinder der „zweiten Generation nach AIDS“, die keine Schulausbildung erhalten und in einer Umgebung von Abhängigkeit und Gewalt aufwachsen. All dies lässt keine gute Zukunft für die Länder südlich der Sahara erwarten! Der Westen bemüht sich, die Probleme durch Geld zu lösen: Medikamente werden zwar verabreicht, aber weit zu wenig, Tests werden in größeren Orten kostenlos durchgeführt, aber ein Mensch vom Land hat immer noch kein Geld für das Sammeltaxi. Kredite helfen Witwen, aber es muss auch Käufer für ihre Produkte geben. Afrika ist noch immer abgehängt von weltweiten Weltwirtschaftsbewegungen und viele Regierende kümmern sich eher um ihren eigenen Geldbeutel als um ihr Volk.
Wir von „Kranich“ versuchen, einen bescheidenen Beitrag zu leisten gegen die vermeintlich unabänderlichen Lebensbedingungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, mit oder ohne AIDS. Nicht leicht, aber immer mit der Hoffnung, die Interessen der Ärmsten im Auge zu behalten!
Die Projekte in West Uganda, alle bei Fort Portal:
KIMABA in Kidukuru erhielt 6 850,- Euro
In dieser Summe sind die 4000,- enthalten, die wir für den Erwerb des Grundstücks anteilig gezahlt haben, auf dem das erste Nähhaus der Mütter von Kidukuru vor 20 Jahren errichtet wurde. Die Ortskirchengemeinde wollte das Grundstück verkaufen und unsere langjährige Partnerin Dorothy hatte in dem Nähhaus ihren Waldorf-Kindergarten für 40 Kinder eingerichtet. Darüber hinaus gründete sie mit drei jungen Lehrern eine private Waldorf-Schule, deren Schüler Schulgeld zahlen müssen. Mit Hilfe der „Zukunftsstiftung Entwicklungshilfe“ und einigen festen Spendern wird „Kranich“ aber nur den Kindergarten finanzieren. Die Pfaffenwaldschule in Stuttgart-Vaihingen unterstützt einige Waisenkinder mit Schulgeldern, der rege Austausch von Briefen nach und von Kidukuru läuft nun schon über so viele Jahre, dass diese Partnerschaft tatsächlich „lebt“ - die Lehrerin Frau Voigt hat bereits mehr als zehn Jahrgänge mit Kidukuru verknüpft.
IFFA in Iruhuura erhielt 750,-:
Die Gruppe um den Pfarrer führt eine Berufsschule am Ort für Maurer, Schreiner und Schneider. Das Modell dieser Landschule, das leider auch nach langjährigem Bemühen immer noch nicht vom ugandischen Schulministerium anerkannt wurde, lebt von Selbstbeteiligung. Der Besuch der Kurse für jugendliche Waisen kostet etwas Geld, wer keines hat, muss im Lauf der Ausbildung seinen Teil ableisten, indem seine/ihre Arbeit verkauft wird. Bis jetzt konnten fast alle Jugendlichen anschließend Geld verdienen, was in dem Land der knappen Arbeitsplätze keine Selbstverständlichkeit ist. Deshalb unterstützen wir besonders gern diese praktische Ausbildung, denn studierte junge Leute gibt es zuhauf in den Städten, Arbeitsplätze. jedoch sind rar.
KIDA in Kitojo erhielt 750,-:
Steffi und Sarah aus Stuttgart, beide fertige Sozialpädagoginnen, gingen Anfang des Jahres nach Kitojo, um drei Monate mit zu arbeiten. In den ersten drei Wochen verließen sie wegen des vielen Regens und nicht heilender Wunden an den Füßen kaum das Haus. Später halfen sie den Frauen, sich mit Backstube, Handarbeiten und kleinem Kapital eine Existenz aufzubauen. Steffi und Sarah waren über das Phlegma, die Unwissenheit und das Ausgeliefertsein der Frauen erstaunt. Es sei manchmal „uferlos“, meinten sie, ein Drama jage das andere, der Pfarrer Ezra sei mit seinem AIDS-Hilfe-Programm auf verlorenem Posten. Ezra hingegen schreibt, wie anerkannt seine Beratungsstelle sei, er hat eine Kooperation mit dem katholischen Krankenhaus aufgebaut, zweimal im Monat kommt ein Arzt und gibt ARVs (antiretrovirale Medikamente gegen HIV), andere Krankheiten behandelt eine Krankenschwester. Ezra ermutigt uns immer wieder mit den Erfolgsgeschichten einzelner Patienten, wie der von Margret, die vor zwei Jahren auf einem Stuhl von weit hergetragen wurde und sterbenskrank war, und heute Dank ARVs ihren Garten bestellen und die Kinder versorgen kann.
Nkoma erhielt 750,-:
Pfarrer John ist wieder weiter versetzt worden. Seiner Bauerngruppe in Nkoma steht er aber immer noch als Berater in biologischer Landwirtschaft zur Verfügung. Auf seiner eigenen „Modellfarm“ setzt er seine erlernten Kenntnisse (zwei Jahre mit Abschlussprüfung) um. In seiner Diözese ist er der Fachmann, aber auch seine AIDS-Präventionsaufrufe werden dort gehört. Seine Frau leitet die Schauspielgruppe und wandert mit ihr in den Nachbardörfern umher, John ist auch der Vermittler, wenn wir mit den anderen Gruppen Wichtiges zu erörtern haben oder sich Schwierigkeiten zeigen.
Kyakatwire erhielt 750,-:
Die am weitesten von der Hauptstraße entfernte Gemeinde mit fünf Dörfern ist Kyakatwire, am Rande des Kibale National Parks gelegen. Die Bauern leben von ihren kleinen Höfen, haben mit dem von „Kranich“ finanzierten Zuchtziegenbock bessere Milcherträge ihrer Ziegen und einige Ochsen werden seit zehn Jahren immer wieder zum Pflügen trainiert – wir können hier ein „nachhaltiges“ Projekt vorstellen. Die AIDS-Opfer werden durch engagierte Ehrenamtliche betreut. Jede Gruppe schreibt ihre eigenen Berichte an uns, manchmal in der Toro-Sprache, die Francis, ein älterer Bauer, ins Englische übersetzt. Große Aufregung brachte die Einmischung eines Pfarrers, der plötzlich diese bewährten Strukturen über Bord werfen wollte und sich an uns mit einem eigenen Kostenvoranschlag wandte. Wir hielten aber zu der „Basis“, damit die kleinen Gruppen weiter bestehen. Daraufhin bediente sich der Pfarrer mit 300,- Euro von dem Projektgeld und ignorierte jeden Protest. Francis wollte, dass wir ihn vor Gericht bringen, aber wie? Seitdem darf nur noch Francis mit einem Zeugen das Geld bei der Nachbargemeinde abholen……
Die Projekte in Kenia:
KIBISOM auf Rusinga Island, im Westen am Viktoria-See gelegen, erhielt 3 290,-
Die fünf Jahre dauernde Kooperation von Kranich, KIBISOM und Brot für die Welt ist in diesem Jahr ausgelaufen. Leider hatte Esther ihre Anträge nicht mehr erneuert, und auch wir müssen sie ständig an ihre Berichtspflicht erinnern. So wird jetzt nur die Kindergarten-Unterstützung durch „Kranich“ beibehalten, weil die drei Kindergärtnerinnen, die mit Hilfe der „Zukunftsstiftung“ ihre Waldorf- Qualifikation erhielten, gut arbeiten. So viele Kinder wie in diesem Jahr hatten sie noch nie! Die meisten der 120 Kinder sind Waisen, sie leben bei „guardians“, also bei Großmüttern oder Verwandten. In diesen Familien geht es sehr knapp zu, deshalb wird ein großer Posten an Geld in die täglichen Mahlzeiten gesteckt. Von dem dreimonatigen „deworming“ der Kinder (Entwurmung mit Tabletten) konnten wir die Erwachsenen bisher nicht abbringen – so oft zu entwurmen ist Unfug! Genau das zeigt aber auch ein Problem: wenn Geld für Medizin vorhanden ist, werden Schmerztabletten und andere eingekauft, die so lange geschluckt werden, bis sie alle sind. Offenbar konnte auch die Krankenschwester aus der Nachbarschaft diese Gewohnheit noch nicht stoppen.
Kony Ngimany Self Help Group auf Rusinga Island erhielt 4 150,-:
Die Gruppe der PLWA (people living with Aids - Menschen, die mit AIDS leben) ist auf 50 angewachsen. Täglich kommen mehr Klienten zur Beratung, die um finanzielle Hilfe bitten oder ihre Kinder versorgen lassen. Alle aus der Gruppe sind selbst betroffen und haben wie David und Bernard, die Leiter, wieder Lebensmut gewonnen. Sie haben einen großen Acker bestellt und viele Melonen und Tomaten geerntet, die sie an Klienten verteilt und in die Großstadt verkauft haben. Sie organisieren Fahrgemeinschaften in das Krankenhaus und verteilen bei den Fischern Kondome (etwa 3000 Stück an einem Abend). Sie sind beim Gesundheitsministerium vorstellig geworden und haben bewirkt, dass im Oktober eine Medikamenten-Ausgabestelle auf der Insel eingerichtet wurde. Diese Gruppe arbeitet als „Basisstaion“, die Abrechnungen und Berichte gehen pünktlich bei uns ein. Der Gruppenraum wurde in Esthers missglücktem „Market“ angemietet. So gibt es nun zwei Nachbar-Gruppen auf Rusinga, die sich zwar misstrauisch betrachten, aber respektieren müssen, weil „KIBISOM“ die Mutter von „Kony“ ist, und eine Mutter kritisiert man nicht“. Die dörflichen Traditionen sind nicht leicht zu überwinden…..
Onyalo Biro Women Group in Kendu Bay erhielt 6 400,-
Diese Gruppe, die unseren Freunden als die Gruppe von Mama Fatuma bekannt ist, ist stabil und arbeitsfreudig. Sie besteht nach wie vor aus einem Führungsteam, aber alle Gruppenfrauen entscheiden immer mit (das lese ich aus den Protokollen heraus). Zum Beispiel werden Nahrungsmittel an die AIDS-Patienten verteilt, die Fahrkosten zum Krankenhaus einmal im Monat für die ARVs gegeben, Medikamente und Kondome verteilt und ein Acker gemeinsam bestellt. Die Kleinkredite verhelfen 12 Frauen pro Laufzeit zu kleinen Geschäften, Gemüse-Stand, Wäsche-Waschen, Jungpflanzenzucht. Vier Waisen bekommen regelmäßig ihr Schulgeld, acht andere einen Zuschuss zu Uniformen und Büchern. Für jedes Kind gibt es eine lange Geschichte, die den Sponsoren in Deutschland mitgeteilt wird. Mama Fatuma ist nun etwa siebzig, aber rüstig, „nur ihre Beine schmerzen, wenn es viel Regen gibt, dann sitzt sie und fädelt ihre Ketten auf“, sagt ihr Enkel. (Die Ketten können Sie bei uns erwerben für 3,- das Stück)
Upendo Boda Boda Youth Group in Kakamega, im äußeren Westen bekam 4 000,-:
Diese Gruppe der jungen Leute, die mit den Boda-Boda-Transport-Fahrrädern ihren Lebensunterhalt verdienen, ist durch die Krankenschwester Nancy sehr gut aufgebaut worden. Nancy betreibt eine kleine Dorf-AIDS-Beratung und berichtet uns von jedem Klienten, der bei ihr Hilfe sucht. Wir können u.a. erkennen, dass Frauen oft schwanger werden, ohne dass sie an die Gefahr einer HIV-Infektion gedacht haben, und dass sie auch wenig über die Ansteckungswege wissen. Nancy rät Schwangeren zu einem Test und bei positivem Ergebnis organisiert sie den Transport zum Krankenhaus. Dort wird zur Verhinderung einer Mutter-auf-Kind-Übertragung von HIV eine antivirale Therapie mit Nevirapin begonnen. Dieses Medikament wird in Deutschland nicht mehr eingesetzt, da es die Leber schädigt und zu Virus-Resistenzen führt. Aber in Afrika gibt es nichts anderes…..
Andere Patienten, die monatlich ihre kostenlosen AIDS-Medikamente in einem staatlichen Krankenhaus holen, geben häufig ihre Tabletten an andere Kranke weiter, wenn es ihnen etwas besser geht. Auch dies wird Folgen haben, weil das Virus resistent wird und neue Medikamenten-Kombinationen in Afrika im Moment aus Kostengründen nicht durchführbar sind. Die Jugendlichen und Nancy setzen deshalb auf die Verhinderung einer Ansteckung und werben für Kondome, was in ihren Dörfern immer noch sehr schwierig ist.
SMAK in Nairobi erhielt 12 400,-:
Diese hohe Summe an Zuwendungen ist der „Stiftung Kind ohne Eltern“ aus Kiel zu verdanken. Aber nun ist der Zeitraum der Anschubfinanzierung abgelaufen, demnächst gibt es 7 700,- weniger. Deshalb wurden Angelina und ihr Team das ganze Jahr darauf vorbereitet, die Ausgaben-Seite zu verringern und „nachhaltiger“ zu arbeiten. Leider hat sich Angelina nicht darauf eingelassen, im Gegenteil, sie stockte das Personal auf, gab ihre Gelder aus und wollte immer mehr haben. Im September warf sie noch die drei Waldorf-Kindergärtnerinnen hinaus („sie hielten die Kinder nicht an, mit dem Löffel zu essen, ließen sie auf die Tische steigen, kamen nicht zu dem Stadtteilfest“). Obwohl Frau Wolf gerade ihren Arbeitsbesuch machte und zwischen den Konfliktparteien vermittelte, war keine Einigung möglich. Daraufhin stoppten wir die Zahlung für den Kindergarten – und gaben der „Zukunftsstiftung“ ihren Anteil zurück. Das ist eine sehr traurige Erfahrung, aus der das Team in SMAK hoffentlich lernt. Im nächsten Jahr wird es mit der Hälfte des Geldes auskommen müssen und auch den Kindergartenzuschuss nicht mehr haben. Die Nähstube der Ledigen Mütter hat das Quilt-Nähen von Frau Wolf und Frau Pfeifer erlernt und die Möglichkeit erhalten, damit Geld zu erwirtschaften. Die AIDS- Beratungsstelle für Jugendliche berät im Monat etwa 40 Klienten, auch die kann nicht zwei Mitarbeiter beschäftigen. An den Köchen muss eingespart werden und an der Verwaltung. Nach elf Jahren Zusammenarbeit hat SMAK einen notwendigen Abnabelungsprozess erfahren, leider nicht freiwillig, aber vielleicht effektiv. Es wäre wünschenswert, dass sich die jungen Mitarbeiter um Angelina wieder um ihre Slum-Nachbarn kümmern. Und dafür geben wir dann auch wieder finanzielle Unterstützung!
Aufgaben von Kranich in Deutschland:
Es ist unser Wunsch, die afrikanische Wirklichkeit in Deutschland darzustellen und auch menschliche Unzulänglichkeiten hier und dort nicht auszusparen. Die Diskussionen, die wir mit unseren Partnerinnen und Partnern vor Ort führen, laufen nicht immer konfliktfrei. Gelegentlich erkennen wir unsere Grenzen, spüren, dass wir aus unterschiedlichen Kulturen kommen und dass manchmal das Geld zwischen uns steht. Einig sind wir uns zwar, dass alle Entscheidungsprozesse transparent laufen müssen, von „unten nach oben“, aber im Alltag läuft das auch manchmal schief. Wenn die Interessen der unmittelbar Betroffenen untergehen, wenn ein Pfarrer sich selbst bedient, wenn eine Frau Direktor Mitarbeiter feuert, wenn Zuwendungen nicht genau abgerechnet werden, muss das ausdiskutiert werden. Und ein politischer Prozess einsetzen. Die Partnerinnen und Partner vor Ort müssen das selbst in die Hand nehmen, nicht die weißen Berater. Demokratieverständnis muss ins Rollen kommen. Auch, um eigene korrupte Politiker in die Schranken zu weisen.
In den Gesprächen mit Spendern, Schülern und Studenten in Deutschland geht es immer schnell um die Frage, wie verbessern wir tatsächlich diese Eine Welt, die mit den Kriegen, den Interessen des Kapitals und der Seuche AIDS so grauselig dasteht? Die Antworten liegen bei den engagierten Mithelfern in Afrika und Deutschland, bei den Grundschulkindern, die auf dem Weihnachtsmark für die Kinder in Kidukuru flöten, bei den Freiwilligen, die nach Afrika reisen, um in einem Projekt mitzuarbeiten, bei der Freundin aus Dormagen, die seit Jahren ihre Tuschzeichnungen für „Kranich“ verkauft, bei den Weltläden, die die Handarbeiten aus den Projekten verkaufen, bei den Firmen, die für Kranich stiften.....
Mit dem Verkauf der Körbe, der Holzwaren, Perlenarbeiten und Halsketten haben wir 4 119,66 erlöst und so insgesamt 42 209,66Euro in die Projekte geben können.
Dafür danken wir jeder, jedem Unterstützenden herzlich!
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