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Deutscher UNIFEM- Preis 2005: Mit Kleinkrediten gegen AIDS –
Mama Fatuma gibt Frauen in ihrem Dorf wieder Hoffnung

Fatuma stammt aus einem Dorf am Victoria See im Westen Kenias. Sie ist eine weise Frau. Nicht nur ihr Alter macht sie zur „Mama“ für alle jüngeren Menschen in ihrem Dorf, sondern auch ihre Lebenserfahrung und ihr Einsatz für Leidende und Arme.
Mama Fatuma hat junge Frauen um sich versammelt, um sie über AIDS aufzuklären und sie mit Kondomen bekannt zu machen. Durch den Verkauf von selbst gefertigten Handarbeiten schaffen es auch viele, aus der täglichen Not herauszukommen.
Im Jahr 2000 entstand auch ein Mini-Kredit-Projekt.
Zusammen mit ihrer Freundin Elisabeth aus Deutschland, die Geld für Mama Fatumas Projekte sammelt, haben nun Frauen, die durch AIDS verarmt sind, wieder die Möglichkeit, ein selbständiges Leben zu führen.

Die Geschichte der Onyalo Biro Women Group:
Mama Fatuma ist in ihrem Dorf angesehen. Zumindest unter den Frauen. Denn als ihr Mann eine zweite Frau nehmen wollte, weigerte sie sich, weiterhin mit ihm zusammen zu leben. Seitdem ist sie von ihm geschieden.
Mama Fatuma ist über 60 Jahre alt, ihren genauen Geburtstag findet sie nicht so wichtig – und sie lebt in der muslimischen Gemeinde von Kendu Bay, einer kleinen Stadt am Ufer des Victoria-Sees in West-Kenia.
In ihren jungen Jahren ging es Fatuma und ihrer Familie gut. Sie hatten zu essen, ihre drei Kinder besuchten die Schule und der Mann hatte Arbeit und Einkommen als Fischer. Wenn das Wetter gut war, wenn der Mond nicht zu hell schien, fuhren drei, vier Männer in ihrem Boot hinaus und legten beim Schein der Öllaternen die Netze aus. Am nächsten Tag wurden sie wieder eingezogen und es gab immer eine gute Ausbeute an Tilapia, einem kleinen Barsch, der gut auf dem Markt verkauft werden konnte.
Damals gab es noch genug Fisch im See. Auch die großen Nilbarsche, die zum Zwecke der „Entwicklungshilfe“ in den 50er Jahren eingesetzt worden waren, änderten das nicht. Der Rückgang der Fänge für die einheimischen Fischer vollzog sich schleichend. Erst als sich der Nilbarsch stark vermehrte und die Tilapia im Uferbereich weggefressen hatte, merkte man, was diese „Wohltat“ angestellt hatte.
Schleichend veränderte sich auch das Leben vieler Familien in Kendu Bay.
Als Fatumas Mann keinen Fisch mehr fing, fehlte plötzlich das Bargeld für die Schule der Kinder, für Arztrechnungen, für die Moschee, für Seife, Salz und Zucker. Fatuma legte in jedem Eckchen ihres Gartens Beete an, hielt Hühner und Truthühner. Auf dem kleinen Grundstück gegenüber, das sie für ihre Kinder gekauft hatte, säte sie im Wechsel Mais und Baumwolle. Mais für die Familie, Baumwolle für den Großhändler.
So ähnlich meisterten viele Familien in Kendu Bay ihren Alltag – man lebte von der Hand in den Mund.
Und dann kam auch noch AIDS nach Kendu Bay!
Mama Fatumas Sohn und Tochter starben an AIDS. Frauen aus der Gemeinde und in der Nachbarschaft wurden Witwen, viele erkrankten, ihre Kinder wurden zu Waisen.
Mama Fatuma gründete 1999 die Frauengruppe „Onyalo Biro Women Group“. Sie suchte nach Wegen aus der Bedrohung, sammelte junge Frauen um sich, klärte über AIDS auf und verteilte Kondome. Ihr Motto war: „Ich bin alt, mir kann nichts mehr passieren, aber die Jungen müssen sich schützen.“
Für die Unkosten fertigte und verkaufte sie Handarbeiten. Besonders ihre Ketten aus Bohnen, Kernen und Früchten fanden schnell Käufer, denn vor den muslimischen Feiertagen kauften die Moschee-Besucher gern ein paar Geschenke ein.
Im Jahr 1999 bin ich, Elisabeth Marquart, Mama Fatuma in Kendu Bay begegnet. Durch „eine Fügung Allahs“ - wie es Mama Fatuma ausdrückt - traf ich sie auf einer Landstrasse in Westkenia. Sie gab mir gleich zweihundert Ketten mit nach Deutschland, die ich verkaufen sollte. Bald baute Mama Fatuma ein Gruppenhaus auf mit einem Verkaufsraum und einer kleinen Krankenstation. Später begann sie das „Loan and Saving- Projekt“. Das erste Geld dafür beantragte sie bei „Kranich - AIDS in Afrika e.V.“ in Stuttgart.

Wie funktioniert das Kreditsystem?
Im Jahr 2000 wurden die ersten 300,- DM als Kapitaleinlage von „Kranich“ ausgezahlt. Es bewarben sich zehn Frauen, alle eingetragene Gruppenmitglieder. Drei von ihnen waren HIV+.
Jede Frau bekommt 1000/- kenya shillings (etwa 10,-Euro), Rückzahlung innerhalb eines Monats mit 5% Zinsen. Je früher zurückgezahlt wird, desto schneller steigt die Frau auf, um den nächst höheren Kredit zu bekommen.
Für jeden zurück gezahlten 1000/- Betrag erhält die Kreditnehmerin 100/- für sich aus dem Topf des Kreditgebers (der Gruppe).
Für jeden Kredit über 2000/- muss die Kreditnehmerin den entsprechenden Betrag des halben Kredits (also 1000/-) nachweisen. D.h. sie muss erfolgreich gearbeitet haben.
Kredite können auch durch selbst gefertigte Handarbeiten oder eine von der Gruppe festgelegte Arbeit getilgt werden, wie die Pflege eines AIDS-Patienten.
Nach fünf Jahren sind rund zwanzig Frauen gleichzeitig am System beteiligt. Wer sein Kapital vergrößert hat, kann ohne Kredit weiterarbeiten. Eine frühere Teilnehmerin hat einen Beauty-Salon, eine ist Friseuse, eine andere verkauft Maismehl.

Die Regeln der Onyalo Biro Gruppe (berichtet von Fatuma und Tamima):
Wer fleißig ist, auf ihr Geld achtet und pünktlich zurückzahlt, kann einen Kredit erhalten. Dabei wird niemand ausgeschlossen, alle Frauen, auch uns unbekannte, werden aufgenommen. Diese brauchen dann die Empfehlung von drei anderen. Außerdem muss ein Personalausweis vorgelegt werden. Ausdrücklich gibt es keine Diskriminierung aufgrund von Religion, Herkunft, Ethnie.

Wie wird mit dem Kredit begonnen?
Wenn die Bewerberin keine feste Vorstellung von ihrem Geschäft hat, beginnt sie mit uns bei unserem Gemüseverkauf. Denn es ist praktisch unmöglich, ein größeres Geschäft zu führen ohne hohe private Rücklagen. Frauen bekommen auch keinen Kredit von der Bank oder ihre Männer nehmen ihnen das Geld ab. Unsere Mitglieder sitzen mit ihren eigenen Verkaufstischen auf der Strasse nebeneinander. Sie sollten es täglich tun, wenn es aber eine nicht schafft, helfen sie einander aus. Sie verkaufen Zwiebeln, grünes Gemüse, Kohl, Tomaten, Kartoffeln, Knoblauch, Ingwer, Karotten, Mais und Bohnen. Das Gemüse haben sie vorher beim Großhändler oder direkt beim Bauern gekauft.

Wie hilft das Kreditsystem?
Normalerweise können sich Frauen, die sehr arm sind, kaum am allgemeinen gesellschaftlichen Leben im Dorf beteiligen: ihre Kinder gehen nicht in die Schule, Hunger ist häufig, Kleidung und Wohnung sind ärmlich, sie werden ausgegrenzt.
Wenn Frauen eine Aufgabe und persönliche Perspektive haben, müssen sie nicht mehr betteln oder sich prostituieren. Ihre Kinder lernen in der Schule und bleiben keine Analphabeten. Frauen, die für ihr tägliches Brot selbst sorgen, fühlen sich unabhängig. Mehrere der Frauen konnten sich von ihren gewalttätigen Ehemännern trennen und ein eigenes Zimmer mieten für sich und ihre Kinder.

Wie werden HIV+ Frauen einbezogen?
Bewerbungen von HIV+ Frauen sind häufig. Am Anfang haben wir sie zu den gleichen Konditionen herein genommen wie alle anderen. Das hat allerdings zu einigen Fehlschlägen geführt. Zunächst wirkten die Frauen stabil, sie wollten auch arbeiten, wie jede andere. Je nach gesundheitlichem Zustand änderte sich das bald. Einige starben schon, bevor sie ihren ersten Kredit zurückzahlen konnten. Das Defizit fiel auf die Gruppe zurück. Deshalb nehmen wir keine hiv+ Frauen für die Cash-Kredite mehr auf. Sie haben aber die Möglichkeit, mit Handarbeiten, die wir ihnen abkaufen, oder durch Arbeit auf dem Gemeinschaftsfeld Geld zu verdienen. Die Patientinnen akzeptieren dies, denn die Gruppe wird oft ihre Heimat. Seitdem wir mit Hilfe von „Kranich“ unsere Kranken in das Hospital der Kreisstadt schicken können, werden sie durch die Medikamente manchmal so energiereich, dass sie richtig arbeiten können.

Können sich auch Männer für einen Kredit bewerben?
Nein, Männern trauen wir diese Gewissenhaftigkeit nicht zu. Die meisten von ihnen sind auch skeptisch gegen uns, deshalb wollen die Frauen sie auch gar nicht dabei haben.

Drei Frauenschicksale aus der Gruppe:

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a) S. ist Witwe seit zehn Jahren, sie hat sechs Söhne, die alle mit ihren Frauen an AIDS gestorben sind. Sie muss nun drei überlebende Waisen versorgen, die sie in die Schule schicken kann, denen sie Essen und Kleidung gibt. Sie ist immer sehr fleißig, ist an ihrem Gemüsestand schon bekannt. Manche Kunden kommen zu ihr, weil sie so freundlich ist. Oft putzt sie das Gemüse oder löst die Erbsen aus den Schalen, wenn die Kunden dies wünschen.

H. ist verheiratet, ihr Ehemann übt keine Verantwortung. Die vier Kinder lungerten auf der Straße herum. Als der Älteste beim Stehlen gefasst wurde, war sie schockiert. Mit Gelegenheitsarbeiten und Prostitution sorgt sie allein für die ganze Familie. Als der AIDS-Test, zu dem Mama Fatuma ihr geraten hat, negativ war, schwor sie sich, nie wieder AIDS zu riskieren, deshalb ist sie sehr fleißig in der Kreditgruppe.

R. ist Witwe, sie stammt selbst aus einer armen Familie, ihre eigenen vier Kinder sind gestorben. Über die Todesursache spricht sie nicht. R. hat die Tochter ihrer verstorbenen Schwester aufgenommen. Dieses Kind ist ihr Ein und Alles, wird von ihr wie ein eigenes geliebt und soll regelmäßig in die Schule gehen. R. sorgt auch für die kranken Gruppenmitglieder, aber ob sie selbst HIV- positiv ist, möchte sie nicht wissen. Sie hat zuviel Angst vor dem Testergebnis.

Der Bericht wurde für die Preis- Bewerbung verfasst von:
Fatuma A. Athani, Leiterin der Frauengruppe in Kenia,
Tamima Omondi, Sekretärin der Frauengruppe in Kenia und
Elisabeth Marquart, Stuttgart

Wir haben den Sonderpreis von UNIFEM (Gisela Gerhard Fonds) gewonnen. Die Auszeichnung wurde am 3.11.05 in Bonn feierlich übergeben, zusammen mit einer Urkunde und 500,- Euro Preisgeld.


   

 

 

 

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